Das große Stechen

Wespe Wespenabwehr

Wespen werden dieses Jahr vielerorts zur Plage. Schädlingsbekämpfer und Sanitäter sind auch im Osterzgebirge und in der Sächsischen Schweiz im Dauereinsatz.

Summend fliegen die Wespen über dem Kopf von Silvio Korn raus und rein. Am Giebel eines Bungalows, hinter den Brettern, haben sich die Brummer ihr Nest gebaut. Noch ahnen sie nicht, dass ihnen der Schädlingsbekämpfer aus Pirna gleich zu Leibe rücken will. Die Besitzer der Laube in einer Gartenanlage in Bielatal haben Korn gerufen. Zu gefährlich ist es ihnen, im Gartenalltag mit den Stechinsekten zu leben.

Silvio Korn ist gut ausgerüstet für seinen Job. Trotz Hitze sind dicke Handschuhe und eine Imkermontur Pflicht – genau wie ein Mundschutz. „Wenn ich oben auf der Leiter stehe, darf nix passieren. Eigenschutz ist das A und O, vor allem an den Händen und am Kopf“, sagt der 32-Jährige und steigt die Sprossen in Richtung Einflugloch empor. In der Hand hat er eine Spraydose mit Strohhalm. So kann er das Insektengift, tief ins Innere des Nestes zerstäuben. Ziel ist es, die Königin zu erwischen. Wenn die nicht mehr existiert, geht der ganze Staat kaputt. In den allermeisten Fällen ist die Methode effektiv. Ein zweites Mal muss Korn selten ran. Das Aerosol verfliegt und ist für den Menschen nicht mehr gefährlich. „Dennoch gibt es das Spray nur für den Profigebrauch für ausgebildete Fachleute“, sagt Korn.

Für den Pirnaer sind solche Einsätze derzeit Alltag. Der Terminkalender ist rappelvoll. „Das Tagesprogramm wird derzeit zu 90 Prozent von den Wespen bestimmt“, sagt Korn. Um die 20 Nester hat er am Tag als Auftrag. Mehr als 300 waren es schon diese Saison. Meist liegen sie versteckt und in der Höhe, auf Dachböden, hinter Verkleidungen. „Manchmal sind die Nester ziemlich weit hinter dem Einflugloch. Dann wird’s kompliziert, ranzukommen“, sagt Korn. Unterwegs ist er im ganzen Landkreis, zwischen Altenberg und Schandau, zwischen Wilsdruff und Neustadt. Korn ist einer der wenigen, der sich auf die Wespen spezialisiert hat – und entsprechend gefragt ist. Etwa 70 Euro kostet sein Einsatz in Pirna und Umgebung, bei weiterer Anfahrt mehr. Die Kunden müssen mit bis zu drei Tagen Wartezeit rechnen – manchmal klappt es aber auch sofort.

Keine Vegetarier

Dass 2015 ein ausgesprochenes Wespenjahr ist, daran gibt es keine Zweifel. Während sonst nur die am besten versteckten und geschützten Königinnen überleben, haben der milde Winter und das moderate Frühjahr viele Wespen verschont. Existieren viele Arten eher unbemerkt, waren es vor allem die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe, die große Staaten mit bis zu mehreren Tausend Arbeiterinnen aufbauen konnten. Anders als Bienen sind sie keine Vegetarier. Und sie bauen vor allem dort in der Nähe, wo sich Menschen aufhalten und sie leicht Nahrung für sich und den Nachwuchs finden. Entsprechend zeigen besonders diese beiden Arten ihre – oft als aggressiv und lästig empfundene – Präsenz und sorgen für den schlechten Ruf der Wespen allgemein.

 
 
 

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„Die gehen selbst auf Schweiß“

In der Form war das sicher ein tragischer Einzelfall. Gestochen wird von den Wespen aber derzeit, was das Zeug hält. Bei der Panoramatour in Hinterhermsdorf zum Beispiel bekam eine Helferin 14 Stiche ab und musste ins Krankenhaus. Im Heidenauer Freibad behandelt man täglich bis zu fünf Wespenstiche, heißt es. Auch Ärzte und Kliniken haben gut zu tun. „In Pirna sind es in der Notaufnahme durchschnittlich vier, in Freital und Dipps sieben Patienten pro Tag, am Wochenende sogar bis zu zehn“, sagt die Sprecherin der beiden Helios-Kliniken, Heike Klameth. Dabei stürzen sich die Wespen nicht nur auf Kinder – auch Erwachsene sind gleichermaßen betroffen. „Stiche befinden sich am häufigsten in den Extremitäten, oft auch hinterm Ohr“, weiß Heike Klameth.

Auch für Mitarbeiter des Forstbezirks Neustadt sind die Wespen eine Plage. „Es sind viel mehr als üblich. Unsere Mitarbeiter im Wald haben fast täglich damit zu tun“, sagt Sprecherin Anke Findeisen. Wo etwas Feuchtigkeit zu finden ist, seien auch viele Wespen anzutreffen. Dazu zählen auch schwitzende Waldarbeiter. „Sogar an frischen Harzstellen hängen jetzt Wespen in Trauben“, sagt Findeisen. Ursache ist offenbar die lange Trockenheit.

Selbst die Imker haben mit den Wespen Probleme, weil die Völker angegriffen werden, um ans Futter zu kommen. Gute Bienenvölker verteidigen sich erfolgreich, sagt Karl-Heinz Berthold, Imker aus Freital-Weißig. Nur wenn sie von Krankheiten geschwächt sind, werde es problematisch. Er selbst habe zum Glück stabile Völker.

Die Feuerwehren beschäftigt das Thema Wespen ebenfalls. In Freital rückten die Kameraden schon aus, um Nester zu beseitigen. Auch in Pirna gab es Anfragen, die an Fachfirmen weitervermittelt wurden, so die Stadtverwaltung. An einigen Kitas im Landkreis mussten aus Sicherheitsgründen ebenso Wespennester von Gebäuden oder dem Gelände beseitigt werden. „Bei den meisten sind es vorsorgliche Maßnahmen oder einfach nur, weil es lästig ist“, erklärt Schädlingsbekämpfer Silvio Korn. Dass die Wespen Schaden am Gebäude anrichten, komme allenfalls bei der Dämmung vor, ansonsten kaum. Bei ihm hat das Wespenjahr inzwischen auch Spuren hinterlassen. „Seit zehn Jahren bin ich nicht gestochen worden. Dieses Jahr dann gleich dreimal“, sagt Korn, der seit 1999 im Geschäft ist.

Bei aller Wahrnehmung von Wespen als Störenfriede sind sie aber eigentlich nützlich: Sie bekämpfen auf natürliche Weise unliebsame Schädlinge und bestäuben sogar einige Blütenpflanzen. „Für die Bäume ist das natürlich ein Vorteil. Es war ja schon zur Blütezeit so“, sagt Anke Proft vom Wildobstprojekt der Grünen Liga in Dippoldiswalde. (mit SZ/gk/sab/win/fh)

Von Matthias Weigel (SZ Online http://www.sz-online.de/nachrichten/das-grosse-stechen-3175195.html)